Wunder und Monster im Mittelalter
Abstract
Mittelalterliche Wunder sind heute wie damals höchst unterhaltsam. Sie eröffnen zudem bei genauerem Hinschauen den Blick auf vielfältige Aspekte der mittelalterlichen Geschichte: Wunderanalysen sind stets auch Gesellschaftsanalysen. In einer Welt, die sich von Gott erschaffen und geleitet sah, galten letztlich alle Wunder als göttliche Werke. Dabei wurde unterschieden, ob das göttliche Wunderwirken in einem direkten Zusammenhang mit menschlichem Handeln stand oder aber allgemein in der Natur zum Tragen kam. Insgesamt lassen sich in Europa zwei große Hauptgruppen mittelalterlicher Wunder unterscheiden. Als Mirakel galten vorrangig jene Wunder, die Gott direkt oder durch die Fürsprache der Heiligen bewirkte. Die Hunderttausende von Heiligenwundern, die uns überliefert sind, veränderten sich im Laufe des Mittelalters und hatten stets auch eine politische Funktion, da sie Dynastien, Bischöfe, Klöster und Städte mit religiöser Legitimität ausstatteten. Mirabilien waren hingegen Wunder der Natur, wie etwa ungewöhnliche und fabelhafte Wesen wie Drachen oder wundersame Völker: Menschen mit Hundsköpfen, Kopflose mit dem Gesicht auf der Brust, Hermaphroditen und andere. Diese Wundervölker wurden im Mittelalter als Monstren bezeichnet. Sie lebten weit entfernt in Afrika und Asien. Als Monstrum galt aber auch eine einzelne Wundergeburt, die den Zorn Gottes über menschliche Sünden „monstrierte“. Im 15. und 16. Jahrhundert stieg das Interesse an Wundergeburten, über die die frühen Drucke berichteten, sprunghaft an. Diese Monstren riefen Entsetzen, Verwunderung und Faszination hervor. Die Gelehrten diskutierten im Anschluss an die mittelalterlichen Debatten, welche Regelhaftigkeiten der Natur sich anhand dieser außergewöhnlichen Erscheinungen formulieren lassen. Im 19. und 20. Jahrhundert tauchte schließlich die Figur des Verbrechers als Monster auf und das Monster wurde eine beliebte Gestalt in Literatur und Film. Die Geschichte der Wunder und Monster ist also vielfach verflochten und zeigt, welche Ordnungen eine Gesellschaft für sich jeweils formulierte.
Einleitung
Wunder und Monster im Mittelalter – das ist ein weites, faszinierendes und komplexes Thema. Wunder im Mittelalter fanden nicht beliebig statt, sondern unterlagen bestimmten Regeln. Sie waren kein Zeichen für Irrationalität, sondern ein weit verbreitetes Phänomen, mit dem sich auch die intellektuellen Eliten auseinander setzten. Doch der Wunderglaube ist nicht auf das Mittelalter beschränkt. Wir hoffen alle ab und zu auf ein Wunder, ob mit oder ohne göttlichen Beistand, und zuweilen sind einige von uns überzeugt, ein Wunder erlebt zu haben: Der französische Wallfahrtsort Lourdes verzeichnet gegenwärtig pro Jahr mehr als fünf Millionen Besucher und Besucherinnen.1 Kurt Tucholsky, der die wundersuchenden Pilgerströme beobachtete, nannte Lourdes 1927 zwar einen „einzigen Anachronismus“, entfaltete in seinem Bericht aber eine breit angelegte Gesellschafts- und Zeitanalyse über Nationalkulte, Klassenunterschiede, die moderne Kirche und Massenaufläufe in Kriegs- und Friedenszeiten.2
Wunderanalysen sind stets auch Gesellschaftsanalysen. Auch der Blick auf mittelalterliche Wunder erschliesst zentrale Felder der damaligen Gesellschaft: Politik, Religion, soziale Beziehungen, Weltbilder und vieles mehr. Wir sollten dabei nicht von einer linearen Geschichte ausgehen, die das Wunder seit der Renaissance zunehmend ins Abseits drängte, ehe es in den modernen Naturwissenschaften ganz verschwand. Die Geschichte des Wunders verläuft in vielen Verflechtungen und nahm immer wieder neue Wege und Formen an. Dies zeigt am Ende dieser Einleitung die Geschichte der Monster, die eine Untergruppe der mittelalterlichen Wunderphänomene bilden.
Zunächst geht es aber darum, die verschiedenen Gruppen mittelalterlicher Wunder kennenzulernen, die in unzähligen Beispielen erzählt wurden. Als Einstieg soll eine Geschichte aus dem berühmten Werk des italienischen Gelehrten Jacobus de Voragine (1228–1298) über das wundersame Leben von Heiligen dienen. Im folgenden Bild und der dazugehörigen Geschichte über die Heilige Margarete kommen verschiedene Wundertypen zur Sprache:
Abbildung 1: Das Martyrium der Heiligen Margarete
Die Heilige Margarete, so erzählt Jacobus de Voragine, lebte zur Zeit des Römischen Reiches in Antiochia und war von grosser Schönheit. Margarete trat gegen den Willen ihres Vaters zum Christentum über. Der römische Präfekt von Antiochia verliebte sich in das schöne Mädchen, wollte es heiraten und nahm es gefangen. Da Margarete dem christlichen Glauben nicht abschwören wollte, liess der Präfekt sie grausam foltern und „bis auf die nackten Knochen zerfleischen“. Die das sahen, weinten vor Schmerz und flehten Margarete an, sich zum Heidentum zu bekennen, um wenigstens ihr Leben zu retten. Margarete blieb jedoch standhaft. Sie betete zu Gott, dass er ihr den Teufel zeigen möge, der den Präfekten zu seiner bösen Tat angestiftet hatte, damit sie ihren eigentlichen Gegner bekämpfen könne. Darauf erschien in ihrem Kerker der Teufel in Gestalt eines Drachen, nahm Margarete in sein ungeheuer grosses Maul und schickte sich an, sie zu verspeisen. Doch bevor er Margarete verschlucken konnte, schlug diese ein Kreuz. Der Drache zerbarst „dank der Wunderkraft (virtute) des Kreuzes“ und Margarete blieb unversehrt. Darauf nahm der Teufel die Gestalt eines Mannes an. Margarete packte ihn am Kopf, warf ihn zu Boden, setzte ihren rechten Fuss auf seinen Nacken, verhörte ihn und liess ihn dann gehen.
Nach diesem Sieg wusste Margarete, dass ein menschlicher Glaubensfeind wie der Präfekt ihr nichts anhaben konnte. Am folgenden Tag folterte der Präfekt sie öffentlich mit brennenden Fackeln so furchtbar, dass sich alle Zuschauer „wunderten“ (mirarentur), wie sie den Schmerz ertragen konnte. Der Präfekt liess sie gefesselt in ein Gefäss mit Wasser legen, um den Schmerz noch zu steigern. Daraufhin bebte die Erde. Margarete aber war wieder unverletzt. Unter den Zuschauern bekehrten sich darauf 5000 Männer zum Christentum. Da der Präfekt weitere Bekehrungen befürchtete, befahl er, die Heilige zu enthaupten. Margarete betete zu Gott für sich und ihre Verfolger. Dabei verkündete sie, dass jede Frau, die sie in Geburtsnöten anrufe, ein gesundes Kind zur Welt bringen würde. Aufrecht ging sie zur Hinrichtung. Der Scharfrichter schlug ihr „mit einem einzigen Hieb das Haupt ab, und so empfing sie die Märtyrerkrone“. 3
Diese Geschichte spricht die vielfältige mittelalterliche Wunderwelt an. Margarete hat durch ihren standhaften Glauben übernatürliche Kräfte erlangt. Das erste Wunder, der Kampf gegen den Teufel, findet im Kerker ohne Zeugen statt. Er gibt Margarete die Gewissheit, dass Menschen ihr nichts mehr anhaben können. Das zweite Wunder, die Unversehrtheit ihres Körpers nach der zweiten furchtbaren Folterung, geschieht vor einem grossen Publikum, das angemessen mit Verwunderung und sogar Bekehrung reagiert. Wir werden sehen, dass die Verwunderung (admiratio) der Betrachter ein konstitutives Element mittelalterlicher Wunder war. Die Hinrichtung Margaretes ist keine Niederlage der Frau, sondern, ganz im Gegenteil, der letzte Schritt, mit dem Margarete vollends zur Heiligen wird. Der Tod für den Glauben verleiht ihr die Märtyrerkrone. Margarete weiss das. Im Angesicht der Märtyrerkrone verkündet sie eine dritte Wunderkraft, die nach ihrem Tod wirksam würde: Bei Geburtskomplikationen wird sie Frauen zu Hilfe kommen und für ein gesundes Kind sorgen (von der Rettung der Gebärenden selbst spricht Jacobus allerdings nicht).
Die auf Latein verfasste Legenda aurea („Goldene Legende“) von Jacobus de Voragine, aus der diese Version des Heiligenlebens (vita) von Margarete stammt, war im Spätmittelalter in vielen Handschriften und Sprachen verbreitet (siehe Kap. Legenda Aurea). Die Illustration der Heiligen Margarete stammt aus einer Handschrift des 15. Jahrhunderts in einer französischen Übersetzung, die heute in der französischen Nationalbibliothek in Paris aufbewahrt wird.4 Die in der Legenda aurea präsentierten „Legenden der Heiligen“ sind dem Kirchenjahr entlang nach ihren Heiligentagen (die Vita des Heiligen Nikolaus findet sich beispielsweise am 6. Dezember) gegliedert. Das Wort „Legende“ ist dabei nicht in unserem modernen Sinn als fiktive, nicht wahrheitsgemässe Erzählung zu verstehen, sondern besagte, dass die Vita eines Heiligen an seinem Heiligentag in Kirchen und Klöstern vorgelesen werden sollte: Legenda heisst auf Lateinisch „das, was gelesen werden soll“.
Jacobus und seine mittelalterlichen Zeitgenossen sahen diese liturgischen Lesetexte als wahr und zentral für das christliche Seelenheil an. Das bedeutete jedoch nicht, dass sie alle Versionen einer Heiligenvita als wahr anerkannten. Die Frage, ob bestimmte Details oder ganze Viten wahr seien oder nicht, wurde kontrovers diskutiert. Die Aussagen von Zeugen und Zeuginnen über die Wunder von Heiligen waren zentral, um Wunder als wahrhaftig zu belegen und Personen als wahre Heilige einzustufen. Jacobus, der in seinem Werk aus vielen Quellen schöpfte, schilderte zwar die im Mittelalter weit verbreitete Auffassung, dass der Drache Margarete ins Maul genommen und dann zerborsten sei, hielt diese Version jedoch für falsch. Vielmehr sei der Drache im Kerker lediglich auf Margarete losgegangen, um sie zu fressen, jedoch sogleich verschwunden, als sie das Kreuzeszeichen machte: „Doch das, was man vom Fressen und Bersten des Drachen berichtet, gilt als apokryph [= nicht kanonisch, nicht als gültig anerkannt] und albern.“5
Für Margaretes angebliche Existenz im 3. Jahrhundert lassen sich keine Nachweise finden. Wir wissen auch nichts über den Ursprung und die Entwicklung ihrer Geschichte. Die Figur der Heiligen Margarete taucht zuerst in frühmittelalterlichen Heiligenkalendarien (sogenannten Martyrologien) auf. Im byzantinischen Reich gab es gewissermassen eine „Zwillingsheilige“, die Heilige Marina, deren Vita mit jener Margaretes identisch ist. Der Kult beider Heiligen entwickelte sich jedoch unterschiedlich: In der griechisch-orthodoxen Kirche wurde Marina vor allem als Dämonenschlächterin bekannt, während Margarete in der römisch-katholischen Kirche und in lateinischen Nonnenklöstern als Vorbild für Keuschheit und Jungfräulichkeit verehrt wurde und sich nach und nach zur Geburtspatronin entwickelte.6
In dieser Funktion rückte Margarete in die Gruppe der „vierzehn Nothelfer“ auf. Die Nothelfer waren eine im Spätmittelalter verbreitete Gruppe von Heiligen. Jeder hatte ein Spezialgebiet, vom Heiligen Achatius, der Gläubigen, die Todesangst hatten, beiseite stand, über den Heiligen Georg, der Wunder in Kriegsschlachten, bei Fieber und Pest bewirken konnte, bis hin zum Heiligen Vitus, der jenen Kranken half, die vom Veitstanz befallen waren. Margarete war eine herausragende, aber nicht die einzige Spezialistin, die bei Geburtskomplikationen angerufen wurde. Berichte über Geburtswunder sind vor allem aus dem Spätmittelalter überliefert, wobei das Überleben der Mutter über das des Kindes gestellt wurde.7
Die Figur des Drachen verweist schliesslich auf einen weiteren Wundertypus. Die Verwandlung des Teufels in einen Drachen zeigt zunächst, dass Wunder nicht nur durch die Intervention von Heiligen stattfanden, sondern auch von Dämonen vollbracht werden konnten. Der Drache war eines von vielen Tieren, in die sich der Teufel verwandelte. Er gehörte zu jenen wundersamen Lebewesen, die in weit entfernten Ländern lebten. Die im Mittelalter viel gelesene Enzyklopädie des Isidor von Sevilla (ca. 560–636) wusste Folgendes über den Drachen zu berichten:
Der Drache ist grösser als alle Schlangen bzw. als alle Lebewesen auf der Erde. Diesen nennen die Griechen δρακων [drakōn] (Drache, Schlange); woher auch abgeleitet ist, dass man im Lateinischen draco sagt. Dieser soll sich oft von Höhlen in die Luft verziehen, und von ihm wird die Luft erregt. Er hat aber einen Kamm auf dem Kopf, ein kleines Gesicht und dünne Röhren, durch welche er den Atem einzieht und die Zunge bewegt. Seine Kraft hat er aber nicht in den Zähnen, sondern im Schwanz, und schlagen kann er besser, als mit dem Rachen schaden. Unschädlich ist er aber mit seinen Giften, aber es ist für ihn auch nicht nötig, jemanden mit Gift zu töten, weil er tötet, wen er einschnürt. Vor diesem ist wegen der Grösse seines Körpers nicht einmal ein Elefant sicher. Er verbirgt sich an den Wegen, über die die Elefanten gewöhnlich laufen, bindet ihre Beine mit Knoten und vernichtet die Erstickten. Er wird aber in Äthiopien und Indien geboren im Feuer ewiger Hitze selbst.8
Auf der Ebstorfer Weltkarte, der grössten und am reichsten illustrierten überlieferten mittelalterlichen Weltkarte (ca. 1300) mit vielen dargestellten Wundern, erscheinen Drachen an den Enden der Welt nahe dem die Erdscheibe umgebenden Weltozean in den äussersten Flecken von Asien, Afrika und Europa (siehe Kapitel Ebstorfer Weltkarte).9 Auch Reisende berichteten über wunderliche Tiere und Menschen in fernen Ländern. Der in viele Sprachen übersetzte Reisebericht des John Mandeville aus dem 14. Jahrhundert erzählt von einer Reise nach Jerusalem, Ägypten, Afrika und über Indien hinaus bis nach China (siehe Kapitel Reisebericht John Mandeville). Der Reisebericht ist von einem unbekannten Verfasser (wir wissen nicht, wer sich hinter dem Namen Mandeville verbirgt) auf der Vorlage anderer Quellen – darunter des Reiseberichts von Marco Polo – zusammengestellt worden. Je weiter John Mandeville reist, desto wunderlicher werden die Lebewesen, auf die er trifft: Er sieht grosse Schneckenhäuser, in die sich ein Mensch verkriechen kann, Drachen, Wildgänse mit zwei Köpfen und Giftschlangen, die nur unehelich geborene Menschen anfallen. Merkwürdig sind auch die Völker: Menschen mit Hundsköpfen, Einbeinige, Zwergmenschen, Riesen mit nur einem Auge auf der Stirn, Kopflose mit dem Gesicht auf der Brust und Hermaphroditen.10 Diese Wundervölker wurden unter anderem als monstra bezeichnet – jener Begriff, aus dem sich das moderne Wort „Monster“ entwickeln sollte. All diese Wunder in fernen Ländern waren Teil von Gottes Schöpfung und konnten zusammen mit Kometen, Sternschnuppen und anderen Naturwundern als Teil des göttlichen Heilplanes spezifisch gedeutet werden. Ihre Wunderlichkeit erweckte aber auch Staunen und Neugierde und hatten einen hohen Unterhaltungswert.
Die Welt der mittelalterlichen Wunder war also vielfältig. Was wir im Deutschen als „Wunder“ bezeichnen, wurde in den lateinischen Quellen mit verschiedenen Ausdrücken benannt (signa, prodigia, monstra, portentia, mirabilia, miracula). Religiöse Wunder bezeichnete man meist als miracula. Jene wundersamen Dinge, denen Reisende auf ihren Wegen in fernen Ländern begegneten, galten hingegen oft als mirabilia. Beide Begriffe konnten stets auch als Synonyme verwendet werden, die Übergänge zwischen ihnen sind fliessend. Gregor von Tours (538–594) bezeichnete beispielsweise die sieben Weltwunder als miracula, obgleich diese im Gegensatz zu göttlichen Wundern von Menschen erschaffen und damit zum grössten Teil bereits vergangen seien.11 Es ist gleichwohl hilfreich, zwischen zwei grossen Hauptgruppen der mittelalterlichen Wunder zu unterscheiden. Nach einem Einblick in mittelalterliche Wundertheorien und -konzeptionen werden beide Gruppen in einem eigenen Abschnitt vorgestellt.
Mittelalterliche Wunderkonzeptionen12
Im Frühmittelalter dachten Gelehrte nur gelegentlich darüber nach, was Wunder eigentlich seien. Als Wunder galt, was unüblich, grossartig und jenseits des Üblichen war, was erschreckte oder Ehrfurcht hervorrief. Darüber hinaus war Gottes Welt, so der Kirchenvater Augustinus, das grösste Wunder (miraculum) überhaupt. Ausgehend vom grossen Interesse an der Regelhaftigkeit der Welt fingen Philosophen und Theologen jedoch an, sich verstärkt mit Wundern zu befassen. Der englische Gelehrte Gervasius von Tilbury (ca. 1150–1235) nahm die Auffassung frühmittelalterlicher Denker auf, dass ein Wunder bei Menschen Staunen, Ver- und Bewunderung hervorrief. Ein Wunder, so Gervasius, ruft admiratio (Ver-, Bewunderung) hervor, weil es unerklärlich, unbegreifbar erscheint. Dabei unterscheidet Gervasius die miracula, die nicht der Natur unterworfen sind, von den mirabilia, die auf natürliche Weise zustande kommen, sich aber dem menschlichen Erklärungsvermögen entziehen:
Wir nennen miracula meistens das, was wir der göttlichen Kraft über die Natur hinaus zuschreiben – etwa wenn die Jungfrau ein Kind zur Welt bringt, Lazarus vom Tod aufersteht oder verfallene Gliedmassen erneuert werden. Mirabilia nennen wir hingegen das, was sich unserem Verständnis entzieht, selbst wenn es natürlich ist. (Erst unsere) Unwissenheit, den Grund ihrer Ursache zu erfassen, bringt mirabilia hervor.13
Ab dem 11. und 12. Jahrhundert setzte sich die Unterscheidung zwischen miracula und mirabilia weitgehend durch. Aber auch damit blieben viele Fragen offen oder entstanden erst. Der Theologe Thomas von Aquin (ca. 1225–1274) unterschied beispielsweise innerhalb der miracula drei verschiedene Gruppen. Erstens: Die übernatürlichen Mirakel (miracula supra naturam), in denen Gott etwas bewirkt, das die Natur in keiner Weise hervorbringen kann wie etwa die Auferweckung von Toten; die Natur kann zwar Leben hervorbringen, nicht jedoch in einem Leichnam. Zweitens: In den widernatürlichen Mirakeln (miracula contra naturam) bewirkt Gott, was wider die Natur ist. Als Beispiel dient Thomas die biblische Geschichte von König Nebudkadnezar, der drei junge Männer zur Todesstrafe im Feuerofen verurteilte, weil diese sich weigerten, ein Götzenbild anzubeten. Die Männer überlebten wundersamerweise – ähnlich wie die Heilige Margarete –, weil Gott die übliche Verbrennungskraft des Feuers ausser Kraft setzte.
Die dritte Gruppe Mirakel steht den natürlichen Vorkommnissen am nächsten: die Mirakel, die „mehr als natürlich sind“ (miracula praeter naturam). Dabei bewirkt Gott, wozu die Natur prinzipiell in der Lage ist, aber in einer Weise, die die Natur nicht hervorbringen kann – wie etwa Jesus, der Wasser in Wein verwandelte. Wein entsteht zwar natürlicherweise auch aus dem Wasser, das der Weinstock für die Ausbildung seiner Trauben aufnimmt. Gott kann diese Transformation von Wasser zu Wein jedoch direkt und unmittelbar bewirken. Ein weiteres Beispiel ist die Heilung von Kranken, die Gott gewährt, wenn Kranke Heilige anrufen – auch die Natur kann heilen, aber nicht augenblicklich, sie braucht Zeit.14
Mit der Frage, was ein Wunder ist, welche Formen es gibt und wie es zustande kommt, waren grosse Themen verbunden, die die Scholastiker auf hohem Niveau diskutierten: Gottes komplexes Wirken in der Welt, die Natur, ihre Regeln mit Ursache und Wirkung, Form und Materie sowie die Frage, wie Wandel und Verwandlung zustande kamen. Es ist bemerkenswert, dass dabei Wunder theoretisch eingeebnet und natürliche Erklärungen gefunden wurden: Je mehr Gelehrte über Wunder diskutierten, desto wenig wunderlich erschienen diese. Christus, so Thomas von Aquin, habe bei der Vermehrung der Brotlaibe keine neue Brotmaterie erschaffen, sondern lediglich äussere, bereits existierende Materie hinzugefügt, so wie Körner zu einem Ackerfeld heranwachsen.15 Auch in Bezug auf Berichte über konkrete Heiligenwunder und Mirabilien waren mittelalterliche Gelehrte häufig skeptisch, ob diese der Wahrheit entsprachen: Zeugen können sich irren, Reisende aus fernen Ländern ihre Geschichten ausschmücken oder gar ganz erfinden. Darüber hinaus wurde die Standortgebundenheit der menschlichen Wahrnehmung in Betracht gezogen.
Ein Beispiel dafür ist der französische Kleriker Jacques de Vitry (ca. 1165–1240), der einige Jahre in Palästina verbrachte. Er schrieb über das Heilige Land, dass die Christen aufgrund ihrer Sünden die eroberten Kreuzfahrergebiete den ungläubigen Muslimen wieder preisgäben. Nach den Beschreibungen der Heiligen Stätten und der vielen in Palästina und im Nahen Osten ansässigen Völker und Religionsgemeinschaften berichtete er auch über die Mirabilien dieser Länder, über Löwen, Elefanten, Kamele, Drachen und Basiliken, über Vögel, Fische und kostbare Steine. Dabei kommt er schliesslich auf die im „Orient“ ansässigen Wundervölker zu sprechen wie etwa die Amazonen, auf Riesen, Hundsköpfige, Völker mit umgekehrten Händen und acht Zehen, Völker, die bei der Geburt graue Haare haben, die im Alter schwarz werden oder jene, bei denen die Frauen im Alter von fünf Jahren gebären und deren Angehörige nicht älter als acht Jahre werden. Jacques de Vitry hält diese Geschichten aus der Antike im Grunde für nicht glaubwürdig und weist darauf hin, dass ein Mirabilium erst im Auge des Betrachters konstituiert wird und damit relativ ist:
Wir zwingen niemanden, das oben Gesagte, das wir, auch wenn es unglaubwürdig erscheinen mag, [aus verschiedenen Quellen und Berichten] [...] dem vorliegenden Werk hinzugefügt haben, auch zu glauben: Ein jeder verfüge über seinen eigenen Verstand! Wir halten es allerdings nicht für gefährlich, wenn jemand an etwas, das nicht gegen die Religion oder die guten Sitten verstösst, glaubt. Denn wir wissen, dass alle Werke Gottes Mirabilien sind – obgleich diejenigen, für die [bestimmte] Mirabilien etwas Übliches und Gewöhnliches sind, weil sie diese häufig sehen, gar keine Verwunderung (admiratio) empfinden. Die Zyklopen, die alle einäugig sind, mögen sich jedenfalls genauso über jene wundern, die zwei Augen haben, so wie wir (oder andere, die vielleicht drei Augen haben) uns über sie wundern. Genauso wie wir die Pygmäen für Zwerge halten, mögen diese uns als Riesen ansehen, wenn sie einen von uns inmitten von ihnen sehen würden.16
Insgesamt entwickelten die Wundertheorien komplexe Modelle, in denen Mirakel und Mirabilien unterschiedlich klassifiziert, angezweifelt oder für wahr erklärt wurden. Der Bericht von Jacques de Vitry ist eines jener Werke, die das Augenmerk nicht auf theoretische Erklärungen legten, sondern die Wunder selbst in verschiedenen aussagekräftigen Kontexten präsentierten. Als weiteres Beispiel sei der Zisterziensermönch Caesarius von Heisterbach (ca. 1180 – ca. 1240) genannt, der ein zwölfbändiges Werk, den Dialog über die Wunder (Dialogus miraculorum), über die „wunderbaren Ereignisse“ (gesta miraculosa) seines Ordens verfasste.17 Der Text ist als Lehrgespräch zwischen einem Zisterziensermönch und einem Novizen angelegt, wurde als Tischlektüre bei den Klostermahlzeiten verlesen und vermittelte die Werte des Ordens anhand von zwölf Themen: Bekehrung (als Hinwendung zum gottgefälligen Leben im allgemeinen und zum Orden im besonderen), Reue, Bekenntnis, Versuchung, Dämonen, die Tugend der Einfalt, die Heilige Jungfrau Maria, göttliche Visionen, der Leib Christi, Wunder (miracula), Sterbende sowie Lohn und Strafe für Tote.
Caesarius verwendet die Kategorie des Wunders also zur Bezeichnung des gesamten wunderbaren Geschehens, in das die Geschichte seines Ordens und die zisterziensische Heilssuche eingebettet ist. Die Mirakel machen das zehnte Buch aus, das besonders viele Wunderberichte präsentiert. Wie in allen Büchern berichtet Caesarius in kürzeren Kapiteln kurzweilige Geschichten und Exempla – hier beispielsweise „von einer lästernden Bäckersfrau, deren Brot in Kot verwandelt wurde“ (Kap. 17), „über einen Kleriker, der von einer Dirne verleumdet wurde und die Flammen nicht spürte“ (Kap. 34), „über Kreuze, die zur Zeit der Kreuzzugspredigt über Friesland in der Luft erschienen“ (Kap. 37), „über einen Mann, der das Sakrament der Asche verspottet hat und deshalb an dem Aschenstaub erstickte“ (Kap. 52), „über eine Störchin, die wegen Ehebruchs getötet wurde“ (Kap. 58) und „über eine Kröte, die in der Flasche eines trunksüchtigen Priesters gefunden wurde“ (Kap. 68). Am Beginn des Buches über die Mirakel lesen wir schliesslich eine weitere Definition von Mirakel, in der Caesarius die vielfältigen Diskussionen seiner Zeit verdichtet:
Als Wunder (miraculum) bezeichnen wir etwas, was gegen den gewöhnlichen Lauf der Natur geschieht, weshalb wir uns wundern (mirarmur). (...) Wunder geschehen durch Gott als ihren Urheber gemäss dem Psalmwort: ‚Du bist ein Gott, der Wunder tut!’ (Ps 77, 15; Ps 76, 15 Vg.) Wunder geschehen auch durch böse und gute Menschen. (...) Die Gründe [für Wunder] sind vielfältig und mir unerklärlich. Manchmal wirkt Gott Wunder wie zum Beispiel in den Elementen, um den Sterblichen seine Macht zu zeigen. Manchmal gibt er (jemanden) (verschiedene) Arten der Sprachen oder den Geist der Weissagung, um seine Weisheit zu zeigen. Manchmal gibt er die Gabe der Krankenheilung (vgl. 1 Kor 12, 4–9), um uns seine Barmherzigkeit zu offenbaren.18
Mirakel: Die Wunder der Heiligen
Wunder, die Gott durch Heilige bewirkte und die meistens als miracula bezeichnet wurden, machten einen grossen Teil der mittelalterlichen Wunder aus. Damit kommen wir zu einem anders gelagerten Komplex als die Wundertheorien und -konzeptionen aus den Gelehrtenstuben. Im Heiligenkult waren praktizierte Frömmigkeit und hagiographische Schriftlichkeit ineinander verflochten. Neben dem gottesnahen Lebenswandel (oder Tod) zeichneten sich Heilige durch zwei Arten von Wundern aus: jene, die Gott auf Fürsprache der Heiligen zu deren Lebzeiten (miracula in vita) oder aber nach ihrem Tod (miracula post mortem) bewirkte. Beide Arten von Wundern geschahen entweder in unmittelbarer Präsenz des Heiligen (die post-mortem-Wunder fanden am Grab, bei einer einzelnen Reliquie oder einer Skulptur des Heiligen am Schrein statt, zu dem die Gläubigen pilgerten) oder als Fernwunder, wenn der oder die Heilige namentlich angerufen wurde. Die Heiligenwunder wurden entweder im Rahmen einer Heiligenbiographie (auch Hagiographie oder Vita genannt) oder gesondert in einem Mirakelbuch überliefert.
Die Gruppe der Heiligen blieb durch das Mittelalter hindurch keineswegs gleich, sondern wurde fortwährend durch neue Heilige ergänzt. Neben dem Typus des oder der frühchristlichen, häufig asketischen Märtyrerheiligen (wie die Heilige Margarete) konnten der Heiligenstatus und die Wundertätigkeit auch allein durch Askese wie beim Heiligen Antonius (gest. 356) sowie durch Mission (der Heilige Patrick in Irland) erlangt werden. Ab dem 6. Jahrhundert waren Heilige zunehmend adelig – etwa als Bischöfe, Äbtissinnen und Könige. Die Förderung von Heiligenkulten – mit den entsprechenden post-mortem-Wundern am Schrein – war stets auch ein machtpolitischer Akt (auch wenn sich ein Heiligenkult nie gänzlich kontrollieren liess). Dabei handelte es sich nicht um eine machiavellistische Instrumentalisierung von Religion für politische Zwecke. Mit der Förderung von Heiligenkulten erwarben die jeweiligen Interessengruppen – Klöster, Bischöfe, Dynastien, Mönchsorden und so fort – Legitimität und religiöses Kapital, um das sie konkurrierten.
Als Beispiel sei der Kult der Heiligen Gertrud (626–659), der Tochter des merowingischen Hausmeiers Pippin des Älteren und einer Vorfahrin Karls des Grossen, genannt.19 Ihr Kult war eng mit den Bemühungen der pippinidischen Hausmeier verbunden, sich im Merowingerreich als führende Adelsfamilie zu etablieren. Gertruds Mutter hatte gegen den Widerstand rivalisierender Adelsfamilien das Kloster Nivelles (in Brabant im heutigen Belgien, eines der ältesten Klöster der Region) gegründet. Gertrud wurde Äbtissin des Klosters, stattete es mit Reliquien aus und lebte und starb als fromme und gelehrte Asketin. Ungefähr zehn Jahre nach ihrem Tod verfasste ein Mönch eine Vita der Heiligen Gertrud, zählte dort aber nur wenige Wunder auf. Zur gleichen Zeit war die politische Stellung der Pippiniden kritisch, der Grundbesitz des Klosters gefährdet. Um 700 wurde eine zweite Vita verfasst, die mehr, insgesamt neun Wunder verschiedener Kategorien enthält.20 In dieser Vita lesen wir, wie sich der Gertrudkult im Kloster etablierte und die Heilige nach ihrem Tod bei einem Brand auf dem Klosterdach erschien und das Feuer zurückdrängte. In Visionen erfahren die Nonnen, dass sie Gertruds Bett verehren sollen, und bauen schliesslich dafür eine Kirche, in der nach der Weihe ein Lichtwunder geschieht: Die in der Nacht zuvor gelöschten Fackeln brennen am Morgen wieder. Die Kunde von Gertruds Wunderkräften verbreitete sich, „so dass alle von nah oder fern dorthin zum Grab der heiligen Jungfrau [Gertrud] kamen, um Erlösung für Körper und Geist zu erflehen“.21 Die Vita berichtet über zwei Heilungswunder am Schrein, als eine blinde Frau und ein blindes Mädchen ihre Sehkraft wieder erlangen. Auch der Typus des Gefangenenwunders ist vertreten: Ein zu Unrecht versklavter Junge kann sich nach Anrufung der Heiligen Gertrud seiner Ketten entledigen, ebenso ein Verbrecher, der „grosser Untaten“ überführt worden war: Die Gnade der Heiligen erstreckt sich auch auf reuige Sünder. Um 691 gründete Gertruds Schwester Begga im rund siebzig Kilometer entfernten Andenne ein Tochterkloster, in das ein Teil des Bettes Gertruds überführt wurde. Auch diese Klostergründung hatte einen politischen Hintergrund – Pippin der Mittlere hatte kurz zuvor als Hausmeier die Vorherrschaft im Merowingerreich erlangt und die Familienmacht wieder gefestigt. Die Gertrud-Vita berichtet über diese Gründung und schliesst mit einem der verbreiteten Strafwunder, die sich ereignen, wenn Heilige nicht die ihnen gebührende Verehrung und Glaubenskraft erhalten: Eine Adelige besucht mit ihrem kleinen Sohn das Kloster Andenne und weigert sich, den Festtag der Heiligen Gertrud mit den Nonnen zu begehen. Ihr Sohn fällt daraufhin in den Klosterbrunnen und stirbt. Die Nonnen legen seinen Leichnam auf das heilige Bett Gertruds, dort wird er wieder zum Leben erweckt – die Adelige ist bekehrt. Da die zweite Gertrud-Vita, die diese Wunder berichtete, um ca. 700, also kurz nach der Gründung des Tochterklosters Andenne, entstand, belegte sie das göttliche Wohlwollen für den Aufstieg der Pippiniden. Die Wunderberichte hatten damit eine politische Dimension.
Als die Karolinger mit Pippin dem Jüngeren und Karl dem Grossen im 8. Jahrhundert zu fränkischen Königen aufgestiegen waren, die über weite Teile Europas herrschten, verlieh Gertrud der Dynastie als heilige Vorfahrin weiterhin Legitimität. Der Gertrud-Kult verbreitete sich über ganz Mitteleuropa. Die Heilige Gertrud galt als Schutzpatronin von Reisenden, Pilgern und Spitalinsassen und wurde im Spätmittelalter auch zum Schutz gegen Ratte- und Mäuseplagen angerufen.22 Der Gertrud-Kult hatte also den Aufstieg der Pippiniden und Karolinger politisch-religiös flankiert und bestand dann in vielfältigen Kontexten weiter. Wie bei Margarete veränderte sich bei Gertrud das Wunderprofil.
Auch die Gruppe der Heiligen wandelte sich im Kontext der aufsteigenden Städte und im Rahmen eines Papsttums, das versuchte, eine zunehmend auf Rom zentrierte Kirchenstruktur durchzusetzen. Die Kurie entwickelte ab dem 11. Jahrhundert das päpstliche Kanonisationsverfahren als aufwendige und kostspielige Prozedur, die sich eher als „Verhinderung“ von Heiligen erwies: Zwischen 1198 und 1431 wurden insgesamt nur 71 Kanonisationsgesuche mit dokumentierten Heiligenwundern bei der Kurie eingereicht, von denen ganze 33 erfolgreich waren.23 Demgegenüber steht als modernes Beispiel Papst Johannes Paul II., der in seinem Pontifikat (1978–2005) insgesamt 482 Heilige kanonisiert hat.24 Die Zahl der im Mittelalter kanonisierten Heiligen war also sehr klein – auf einen päpstlich gesprochenen Heiligen kamen im 13. Jahrhundert rund 21 nicht kanonisierte Heilige.25 Zu den neuen Heiligentypen des Hoch- und Spätmittelalters gehörten asketische Bettelmönche (wie Franz von Assisi) und mit diesen verbundene Frauen (wie Katherina von Siena).
Im Spätmittelalter26 vermehrten sich zudem die Stätten, an denen Gläubige Wunder erbitten konnten. Gleichzeitig verloren die begehrten Reliquien an Bedeutung, die Skulptur des oder der Heiligen allein reichte als wundertätiges „Gnadenbild“ aus. Die Wallfahrt abseits der Fernpilgerziele des Adels (Jerusalem, Rom, Santiago di Compostela) wurde kleinräumiger, lokaler und vor allem von der ländlichen Bevölkerung vollzogen. Die Schreinwunder wurden zunehmend von Invokationswundern abgelöst: Menschen in Notlagen riefen ein bestimmtes Gnadenbild an und „versprachen“ oder „verhiessen“ sich ihm, dass heisst, sie gelobten, nach Erfüllung ihrer Bitte zum Gnadenbild zu pilgern, häufig mit einer Opfergabe wie einer Kerze oder auch einem Huhn.
War das Wunder vollbracht, wurde es unter Angabe von Zeugen dem Geistlichen vor Ort „angezeigt“, der es auf einem Wunderzettel notierte, wenn er es für glaubwürdig hielt. Diese Zettel wurden neben dem Gnadenbild aufgehängt, häufig zusammen mit plastischen Nachbildungen geheilter Glieder oder zum Leben erweckter Säuglinge. Aus diesen Zetteln wählten die Verfasser von Mirakelbüchern jene Wunder aus, die ihnen besonders aussagekräftig erschienen, um die Wunderkraft ihres Gnadenbildes zu belegen. Die Mirakelbücher wurden meistens in der Nähe des Gnadenbildes angekettet. Die in ihnen überlieferten Wunder wurden also mehrfach klerikal gefiltert. Die Geistlichen verzeichneten vor allem die Wunder an Angehörigen der (zumeist dörflichen) Ober- und Mittelschichten. Arme und Bettler, die theoretisch weiterhin zum bevorzugten Adressatenkreis heiliger Barmherzigkeit gehörten, blieben aussen vor. Gleichzeitig vergrösserte sich das Wunderspektrum – neben den weiterhin spektakulären Wundern wie der Erweckung von Toten fanden auch Gläubige mit kleineren Nöten und weniger schweren Krankheiten Gehör. Die Wunder deckten nun einen grösseren Bereich des Alltags ab.27
Im Rahmen der spätmittelalterlichen kleinräumigen Wallfahrt mit der „neuartigen Allgegenwärtigkeit der Heiligen“28 expandierte ein Heiligenkult, der alle anderen Kulte in den Schatten stellte: die Verehrung der Gottesmutter Maria. Im ausgehenden 15. Jahrhundert brachte der Buchdruck eine neue mediale Dynamik. Altötting mit seiner Schwarzen Madonna verdankte es beispielsweise Druckern aus Nürnberg und Augsburg, dass es sich rasch zu einer überregionalen Pilgerstätte entwickeln konnte: Mit der Vervielfältigung der Wundersammlungen nun eine weiträumige Leserschaft angesprochen.29 Der an der Wallfahrtskapelle in Altötting tätige Chorherr Jakob Issickemer veröffentlichte im Rahmen dieser Drucke 1497 ein Mirakelbuch mit dem Titel Buchlein der zuflucht zu Maria der muter gottes in alten Oding (Kapitel Das Mirakelbuch von Altötting). Das Titelblatt zeigt die von Strahlen umgebende Muttergottes, die in einer Zeit voller Sünden und Endzeitängsten frommen Christen, die teilweise auf einem Bein zum Schrein humpeln, mit „Wunderzeichen und -werken“ in ihren Nöten hilft. Als Zeichen bereits vollbrachter Wunder hängen Nachbildungen von Gliedmassen und Säuglingen neben ihrem Gnadenbild:
Abbildung 2
Als Beispiel für eines der in diesem Mirakelbuch verzeichneten 77 Wunder sei ein Heilungswunder im Original gezeigt, transkribiert und aus dem Frühneuhochdeutschen übersetzt. Ein gewisser Leonhard Schnuerrer, so wird berichtet, sei an der Syphilis erkrankt und gelobte, barfuss rund 180 Kilometer von seinem Wohnort bei Augsburg nach Altötting zu gehen, falls Maria ihm helfen sollte:30
Abbildung 3
Darnach am vierden pfingstage / kame Leonhard schnuerrer von Tirhawpten am lech in schwaben. Saget das er schwerlichen hete gehabt die platernn der malefranzosen / das er weder tage noch nacht kant rwen / Rueffte er an maria etc. sich versprechend / gen alten oeding zue geen wullen und parfuss / auch eynen gulden zu opfernn von stundan wurde sein sach gut / das er in dreyen tagen kaynes wees entpfunde und weren palde die plattern alle zue eyntzigen vergangen.
Danach kam am vierten Pfingsttag Leonhard Schnuerrer aus Thierhaupten am Lech in Schwaben. Er sagte, dass er so schwer an Syphilis-Blattern erkrankt sei, dass er weder tags noch nachts ruhen konnte. Er rief Maria an und gelobte, barfuss nach Altötting zu pilgern und einen Gulden als Opfer zu bringen. Von dieser Stunde an stellte sich bei ihm Besserung ein, so dass er nach drei Tagen schmerzfrei gewesen und bald jede einzelne Blatter verschwunden sei.
Mirakelbücher sind wertvolle Quellen für die historische Forschung. Mit ihren zahlreichen Wunderberichten bieten sie sich für die Erstellung von Statistiken an. In der Hochzeit quantitativer Geschichtsforschung, in den 1970er und 1980er Jahren, wurden entsprechend weiträumige Zählungen durchgeführt.31 Pierre Sigal erschloss 1985 beispielsweise 4756 Wunder für das hochmittelalterliche Frankreich und teilte diese in verschiedene Kategorien ein. Insgesamt überwiegen die post-mortem-Wunder (ca. 75%) deutlich die Wunder, die Heilige zu ihren Lebzeiten vollbrachten (ca. 25% miracula in vita). Rund 57% aller Mirakel sind Heilungswunder für unterschiedliche Krankheiten. Die 43% der anderen Wunder verteilen sich insgesamt auf Visionen (ca. 28%), Strafwunder (22%), „begünstigende Eingriffe“ (17%), Schutz vor Gefahr (11%), Errettung aus dem Gefängnis (8%), Glorifizierung des oder der Heiligen (7%), prophetische Visionen (4%) sowie die Erfüllung von Kinderwünschen (1%).32
Derartige Zählungen sind interessant, aber haben Nachteile. Sie unterwerfen unterschiedliche Einzelfälle einem Schema und ebnen die Wunder ein. Jedes Mirakelbuch spiegelt jedoch sein politisches, religiöses, kulturelles und soziales Umfeld wider. Überdies kennt jede, die schon einmal mit viel Mühe eine derartige Statistik erstellt hat, die Frage, was mit den schweigenden Zahlen nun eigentlich anzufangen ist. Jede Zahlenerhebung braucht eine historische Fragestellung sowie entsprechende analytische Vorarbeiten und Kontextualisierungen, wenn sie zum Sprechen gebracht werden soll. Der in Kapitel Bauern, Wallfart und Familie präsentierte Aufsatz von Gabriela Signori ist ein gutes Beispiel für die Erkenntnismöglichkeiten einer kombinierten quantitativ-qualitativen Analyse.33 Anhand der Mirakelbücher aus St. Gallen eröffnet Signori einen faszinierenden Blick auf die Frage, welche familiären Beziehungen (Kernfamilie versus Grossfamilie, Beziehungen zwischen Eheleuten, Eltern, Kindern, Geschwistern etc.) in den Texten bevorzugt auftreten. Mirakelberichte sind also viel mehr als nur Quellen für den Wunderglauben, unabhängig davon, ob sie quantitativ oder qualitativ ausgewertet werden. Für Historiker und Historikerinnen bieten sie eine fast unerschöpfliche Fundgrube, die – zusammen mit anderen Quellen – Einblicke in Herrschafts- und Sozialbeziehungen, Medizin- und Körpergeschichte, Frömmigkeitsformen, Geschlechter-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte und vieles mehr bietet.
Mirabilia: Die Geschichte der Monstren und Monster vom Frühmittelalter bis zur Neuzeit
Wie die Mirakel umfassten die Mirabilien vielfältige Phänomene, Ereignisse und Lebewesen in Gottes wunderbarer Welt. Auch sie waren Gegenstand gelehrter Abhandlungen unterschiedlicher Art.34 Ab dem 15. Jahrhundert wurden sie zunehmend in den Wunderkammern und Kuriositätenkabinetten gesammelt.35 Als Untergruppe werden hier nun die Monstren exemplarisch vom Mittelalter bis in die Gegenwart betrachtet. Als Monstren und – für die Moderne – Monster gelten Tiere, Menschen und hybride Lebewesen, deren Erscheinung und Wesen als grundlegende Abweichung von einer Ordnung eingestuft werden. Als ferne Fabelwesen oder kumpelhaftes Krümelmonster sind Monster faszinierend und unterhaltsam. Ihre Geschichte ist jedoch wechselhaft, komplex und mit vielen Themen verbunden, von denen hier nur einige angesprochen werden. Es ist eine Geschichte, die Form und Grenzen des Menschseins verhandelt, die Ordnungen aller Arten formuliert und in Frage stellt, eine Geschichte von Ambivalenzen und Emotionen, von Verwunderung, Staunen, freudiger Neugierde und Toleranz, von Grauen, Abscheu, Angst und Verstörung.
Diese Geschichte umfasst auch die Frage, wann ein Körper als besonders oder spielerische, erfindungsreiche Variante der Natur oder aber als störend, als „falsch“ und „missgebildet“ eingestuft wird. Wie wir sehen werden, umfasste die Kategorie des „Monströsen“ in der Vormoderne neben klaren Ausgrenzungen auch friedliche Eingrenzungen, während dies ab dem 18. Jahrhundert weniger der Fall war. Daher verwende ich den Begriff Monstren für die Zeit bis 1800. Die Geschichte von erstens einzelnen, individuellen und zweitens kollektiven Gruppen oder Völkern von Monstren verlief in zwei Strängen, die einander immer wieder überschnitten. Hier sollen vor allem die menschlichen Monstren behandelt werden.
In der Antike gehörten gehörten Monstren als Einzelerscheinungen unter anderem zu den aussergewöhnlichen Naturphänomenen, den prodigia, mit denen die Götter ihren Zorn zum Ausdruck brachten.36 Daneben übernahmen die Römer aus griechischen Werken (Herodot, Ktesias von Knidos) die Kunde von vor allem in Indien lebenden Wundervölkern.37 Plinius der Ältere (ca. 23 n. Chr. – 79) berichtete in seiner vielbändigen Naturgeschichte immer wieder von monströsen Völkern und zählte zu Beginn von Buch 7 viele der damals bekannten Wundervölker auf.38 Der in der Antike begründete Kanon dieser Wundervölker wurde im Mittelalter in das christliche Weltbild übernommen und in immer neuen Varianten fortgeschrieben. Neben prodigium waren weitere Begriffe (portenta, ostenta, monstra) im Umlauf, die Bischof Isidor von Sevilla im 7. Jahrhundert wie folgt erläuterte:
Über die portenta
Als portenta wird laut Varro [römischer Polyhistor, 116–27 v. Chr.] das bezeichnet, das wider die Natur geboren zu sein scheint. Aber sie sind nicht wider die Natur, sondern aus göttlichem Willen erschaffen, weil der Wille des Schöpfers und die von ihm geschaffenen Dinge Natur sind. (...) Portenta aber und ostenta, monstra und prodigia werden jedoch so genannt, weil sie offenbar Künftiges prophezeien (portendere) und aufzeigen (ostendere), zeigen (monstrare) sowie verkünden (praedicare). (...) Monstra werden aber so genannt, weil sie eine Ermahnung sind, die etwas Bedeutendes anzeigen oder etwas sogleich zeigen, wenn es erscheint. (...)
Alexander [dem Grossen] wurde von einer Frau ein Monstrum geboren, dessen obere Körperteile die eines Menschen, aber abgestorben waren. Die unteren Körperteile stammten von verschiedenen Tieren, waren aber lebendig. Dies zeigte die plötzliche Ermordung des Königs [Alexander] an, denn die schlechteren Körperglieder hatten die besseren überlebt. Aber derartige Monstren, die als Bedeutsames gegeben werden, leben nicht lange, sondern sterben, sobald sie geboren wurden. (...) Ebenso wie es aber in einzelnen Völkern Monstren als einzelne Menschen gibt, so gibt es im gesamten Menschengeschlecht Monstren als ganze Völker wie die Riesen, die Hundsköpfigen, die Einäugigen und so fort.39
Wie aber waren diese monströsen Völker einzuordnen? Gehörten sie innerhalb des göttlichen Heilplans zu den Menschen und konnten dementsprechend göttliche Erlösung erlangen? Der Kirchenvater Augustinus (354–430) stellte die Frage, ob es glaubhaft sei, dass die „monströsen Menschenarten“ (monstrosa hominum genera) wie alle anderen Menschen von Noah und damit von Adam abstammten. Augustinus war wie viele andere skeptisch, ob die Berichte über die fernen monströsen Völker der Wahrheit oder der Fabulierkunst von Gelehrten und Reisenden entsprangen. Jedoch könne man diese Berichte nicht ohne weiteres als erlogen abtun. Da es zweifelsfreie Belege für einzelne Monstren – wie etwa Hermaphroditen – gebe, sei es durchaus möglich, dass im gesamten Menschengeschlecht ganze Völker von Monstren existierten. Überdies kenne allein Gott die Schönheit des Universums. Augustinus kommt daher zum Schluss, dass
wer immer irgendwo auf Erden als Mensch, also als sterbliches, vernunftbegabtes Lebewesen geboren ist, er mag eine für unsere Begriffe noch so ungewohnte Körperform haben, an Farbe, Bewegung, Stimme, Kraft und Teilen seiner natürlichen Eigenschaften noch so sehr von anderen abweichen: kein Gläubiger soll zweifeln, daß er seinen Ursprung aus jenem einen zuerst gebildeten Menschen [Adam] herleitet40
Die interessante und unterhaltsame Gruppe der Wundervölker gab Anlass zu unterschiedlichen Reflexionen über die Heilsgeschichte, die göttlich bestimmte Natur und ihre Spiel- und Regelhaftigkeit. Nachrichten über Wundervölker finden sich in den hoch- und spätmittelalterlichen Enzyklopädien und Naturbeschreibungen und gelegentlich in Chroniken (wie etwa bei Vinzenz von Beauvais, Gauthier von Metz, Gervasius von Tilbury, Konrad von Megenberg, Brunetto Latini und Adam von Bremen).41 Fernab der christlichen Kernländer lebend gaben sie kaum Anlass für Schrecken und Ängste. Hartmann Schedel, der 1493 eine Weltchronik publizierte,42 ordnete die Wundervölker chronologisch in das zweite Weltalter (von insgesamt sieben) ein, das von der Sintflut bis zur Geburt Abrahams reichte, und markierte damit auch eine grosse zeitliche Distanz. Schedel präsentierte insgesamt 21 Wundervölker mit Illustrationen, von denen er einige kurz erläuterte (im Folgenden zunächst mit der allgemein üblichen Bezeichnung, dann der übersetzten Erläuterung von Schedel aufgeführt):
Abbildung 4: Hundsköpfige (Kynokephale): „In Indien gibt es Menschen mit Hundsköpfen, die bellend reden. Sie ernähren sich von Vogelgesang und kleiden sich mit Tierhäuten.“
Abbildung 5: Einäugige (Zyklopen): „Etliche [in Indien] haben nur ein Auge auf der Stirn über der Nase und essen nur Tierfleisch.“
Abbildung 6: Kopflose/Brustköpfige (Akephali): „In Libyen werden viele ohne Kopf geboren, haben [jedoch] Mund und Augen.“
Abbildung 7: Hermaphroditen: „Viele sind [in Libyen] beiderlei Geschlechts. Die rechte Brust ist männlich, die linke ist weiblich. Sie paaren sich miteinander und bringen Nachwuchs zur Welt.“
Abbildung 8: Schattenfüssler (Skiapoden): Ohne Erläuterung bei Schedel. Die Skiapoden sind dafür bekannt, dass ihr Fuss so gross ist, dass er ihnen Schatten spendet.
Abbildung 9: Mundlose (Astomi): „In der Nähe des Paradieses [der im äussersten Orient liegt] am Fluss Ganges gibt es Menschen, die nichts essen. Denn sie haben einen so kleinen Mund, dass sie das Getränk mit einem Halm einflössen müssen. Sie leben vom Duft der Äpfel und Blumen und sterben, sobald sie etwas Schlechtes riechen.“
Abbildung 10: „[In Äthiopien] haben viele Hörner, lange Nasen und Ziegenfüsse, davon kannst du in der Legende des Heiligen Antonius lesen.“ (Schedel integriert hier die Dämonen, die den Heiligen Antonius in der Wüste versuchten, in die Reihe der monströsen Völker.)
Im 15. Jahrhundert nahm das Interesse an einzelnen Monstren sprunghaft zu. Dabei kam es zu einer bemerkenswerten Verlagerung. Die Monstra waren nicht mehr als Völker in fernen Ländern oder Zeiten angesiedelt, sondern wurden nun direkt als Individuen vor der eigenen Haustür, etwa in Krakau, Zürich und Florenz, geboren. Diese monströsen Geburten wurden notiert und durch die Druckerpresse verbreitet. Ein berühmtes Beispiel ist das monstrum von Ravenna.43 Dabei handelte es sich um eine Wundergeburt, die gemäss den ersten italienischen Flugblattdrucken 1506 in Florenz geboren worden sei und als männlich-weiblicher Zwitter mit verschiedenen tierischen Gliedern ein überaus monströses Aussehen aufwies44:
Abbildung 11
Spätere Einblattdrucke verlegten die Geburt dieses Monstrums nach Ravenna und deuteten es als schlechtes Vorzeichen der militärischen Kämpfe um Italien (französische Truppen plünderten 1512 Ravenna). Der französische Chronist Joannes Multivallis sah in jeder Abnormität des Monstrums ein Zeichen des göttlichen Zorns für eine spezielle Sünde:
Das Horn [bedeutet] Stolz; die Flügel Frivolität und Unbeständigkeit im Denken; das Fehlen der Arme einen Mangel an guten Werken; der Raubvogelfuß Raubgier, Wucher und Habsucht aller Arten; das Auge auf dem Knie eine Ausrichtung des Geistes allein auf irdische Dinge; das Zwittergeschlecht Sodomie. Und diese Laster sind der Grund, daß Italien vom Krieg zerschmettert am Boden liegt; nicht aus eigener Macht hat der König von Frankreich dies bewirkt, sondern nur als Geißel Gottes.45
Vor allem in Deutschland und Italien blühte im 15. und 16. Jahrhundert die Monstren- und Wunderzeichenliteratur. Flugschriften berichteten über Wundergeburten, aber auch über Erdbeben, Vulkanausbrüche und Himmelserscheinungen. In der Zentralbibliothek Zürich ist eine Sammlung von Flugschriften, die sogenannte Wickiana, überliefert, die der Pfarrer Johann Jacob Wick (1522–1588) akribisch zusammengetragen hat (siehe Kapitel Wickiana). Diese „Wunderkammer auf Papier“ zeigt die Befindlichkeiten der damaligen Menschen, die sich in einer apokalyptischen Endzeit kurz vor dem Jüngsten Gericht wähnten.46
Wie Lorraine Daston und Katherine Parks gezeigt haben, riefen die monströsen Wundergeburten verschiedene Emotionen hervor.47 Sie galten zum einen als schrecklich, grausam und grauenerweckend. Wundergeburten wie das monstrum von Ravenna verletzten moralische Normen und waren machtvolle Zeichen für Gottes Zorn in einer sündigen Zeit. Aber Monstren hatten auch einen Unterhaltungswert. Eltern stellten beispielsweise zusammengewachsene Zwillinge auf Jahrmärkten aus und verdienten damit Geld. Die Gelehrten diskutierten im Anschluss an mittelalterliche Debatten in anatomischen, theologischen und ästhetischen Schriften, ob Monstren „übernatürliche“ oder „natürliche“ Ursachen hatten. Der italienische Arzt Fortunio Liceti (1577–1657) vertrat die Ansicht, dass sich das Wort monstrum, wie allgemein angenommen, von monstrare („zeigen“) ableite, interpretierte diese Etymologie jedoch ganz anders: Gott zeige mit Monstren keineswegs seinen Zorn auf Sünde, vielmehr riefen diese Verwunderung, Überraschung und Staunen hervor, wenn sie „gezeigt“ würden. Die Natur schaffe wie ein Künstler aus unvollkommenem Material immer neue, staunenswerte Formen.48
Wundergeburten wurden zunehmend seziert und in anatomischen Abhandlungen analysiert, um die Gesetze der Natur zu erschliessen. Dabei verschob sich der Interpretationsrahmen. Monstren galten nun nicht mehr als spielerische Laune einer erfinderischen Natur, sondern als Objekte, anhand derer strenge Regularitäten der Natur unter dem allmächtigen Gott herauszuarbeiten waren. Dabei überwog wieder der Abscheu vor den körperlichen Deformationen, die Gelehrte beobachteten. Voltaire, der in seinem Dictionnaire philosophique den Monstren einen eigenen Eintrag widmete, bemerkte, dass es viel schwieriger sei, Monstren zu definieren, als man denke. Ab wann habe beispielsweise eine Schlange monströse Ausmasse? Ausschlaggebend für Voltaire ist das Gefühl des Schreckens beim Anblick eines Monsters, das durchaus zwei Seiten haben kann: Eine Frau mit vier Brüsten, die Voltaire auf einer Messe gesehen hat, sei ein Monster, solange sie ihre Brüste zeige, aber eine gefällige Frau, sobald sie ihre Brüste verberge. Voltaire kapituliert schliesslich vor dem Thema. Zu viele Fragen bleiben für ihn offen, und er ruft am Ende seines Artikels aus: „Nun denn, lasst uns mutig gemeinsam sagen: Was weiss ich schon?“49
Auch die Anatomen konnten sich nicht auf eine Definition von Monstren einigen.50 Je strikter Naturphilosophen und Theologen göttliche Regularitäten postulierten, desto grösser wurden die Probleme: Wie sind derart grobe Abweichungen mit der grossartigen Gleichmässigkeit der Natur und Gottes Allmacht vereinbar? Johann Heinrich Zedler unterschied in seinem berühmten Universallexikon zwischen monstra und „Missgeburten“. Monstrum sei „alles dasjenige, was wider die Natur ist oder gebohren wird, oder welches gleichsam den wahren Ursprung seiner Geburt durch Annehmung einer fremden Gestalt verläugnet, oder verändert“. Eine „Missgeburt [oder] Wundergeburt (lateinisch Monstrum, ostentum, portentum, prodigium, partus monstrosus) ist eigentlich eine natürliche Geburt, die auf einige Weise von der Ordnung und Gestalt ihrer Gattung abweichet“ – wenn etwa Hände, Füsse, Finger fehlen oder zuviel davon vorhanden oder Zwillinge aus natürlichen Ursachen zusammengewachsen seien, ohne dass göttlicher Zorn über menschliche Sünden eine Rolle gespielt habe.51 Diese begriffliche Trennung wurde jedoch nicht durchgehalten – und beide monströsen Abweichungstypen wurden moralisch weiterhin mit Sündhaftigkeit in Verbindung gebracht.
Zudem wurden Missgeburten und Monstren – wie schon im Mittelalter – innerhalb allgemeiner Theorien über das Entstehen von Organismen diskutiert. Dabei löste einstweilen die Lehre von der Epigenesis (körperliche Abweichungen entstehen stufenweise zu verschiedenen Zeitpunkten) die Präformationstheorie (alle Abweichungen sind bereits im Keim angelegt) ab. Wenn körperliche Abweichungen jedoch nicht im Keim angelegt, sondern in verschiedenen Stadien der Entwicklung entstehen, kann nicht mehr von einem wesenhaften Monstrum die Rede sein – wissenschaftstheoretisch wurden damit die Monstren abgeschafft.52 Präparate von Missgeburten, die zuvor Bestandteile der Wunder- und Kuriositätenkabinette gewesen waren, wurden nun in anatomische und pathologische Sammlungen aufgenommen. Es entstand eine neue Disziplin, die als „Teratologie“ (Lehre von den Fehlbildungen) allerdings semantisch an die Geschichte der Monstren anschloss (griechisch teras – Monster), aber eine problematische „Paradisziplin“ blieb.53
Im 19. und 20. Jahrhundert wurden Monster und Monstrositäten jedoch zunehmend auf zwei anderen Gebieten populär, die an die frühneuzeitliche Monstrengeschichte anknüpften. Zum einen wurden Monster als fiktionale Gestalten in Literatur, Kunst und Film beliebt. Als hybride, irrationale und triebgesteuerte Wesen wie Frankensteins Monster verbreiteten sie Angst und Schrecken. Als bestenfalls stammelnde Schwellenwesen, welche die Ordnung bedrohen oder in Frage stellen, werden sie meistens getötet. Wie in Robert Stevensons Novelle über Dr. Jekyll und Mr. Hyde (1886) steht das Monster aber auch für das monströse Potential des Menschen. Vampire und Vampirinnen überschreiten die Grenzen von Geschlecht und normativer Sexualität wie zuvor die frühneuzeitlichen Hermaphroditen.54 Das Science-Fiction Genre in Film und Literatur knüpft an die mittelalterlichen Wundervölker in fernen Ländern an, indem es Monster in fernen Galaxien ansiedelt.
Das zweite Gebiet war die Kriminologie, die sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts akademisch mit der Figur des Straftäters befasste, welche die bürgerlich-sittliche Ordnung bedrohte. Der italienische Kriminalanthropologe Cesare Lombroso (1835–1909) zeichnete den Verbrecher als monströsen Typus, der entwicklungsgeschichtlich quasi auf einer frühen Stufe der Menschheitsgeschichte stehen geblieben war und spezifische anatomische Merkmale, vor allem bestimmte Schädelformen, aufwies. Andere sahen moralisches Fehlverhalten wie Alkoholismus und Prostitution als krankheitsbedingte Entartung und Minderwertigkeit.55 Die Konstruktion des körperlich und kulturell degenerierten Kriminellen war mit rassistischen Modellen verbunden, die sich auch auf die Juden erstreckten. Der Körper wurde zu einer Matrize, in welche „die Eigenschaften einer bedrohlichen und verwerflichen Natur eingeschrieben“ wurden. Die Grenze zwischen Missbildung und lebensunwerter, monströser Missgeburt wurde wieder durchlässig.56
Hinter einer niedlichen Figur wie dem Krümelmonster der Sesamstrasse, das lediglich Ernies Keksvorräte bedroht, oder dem tragischen Tod von King Kong steht eine lange Geschichte von Monstren und Monstrositäten, die fundamentale Fragen der menschlichen, natürlichen und göttlichen Ordnung aufwirft. Die moderne Kategorie des Monsters ist abseits unterhaltsamer Geschichten eine auf vielen Ebenen problematische Figur der Abgrenzungen mit hohem Gewalt-, aber auch Verdrängungspotential. Das betrifft nicht nur die Einstufung von Menschen als monströse Missgeburten, sondern auch die Erschaffung monströser Täterrollen. So ist etwa die Einstufung des Straftäters Josef Fritzl, der 2008 in der Presse als „Monster von Amstetten“ tituliert wurde, angesichts seiner in der Tat ungeheuerlichen Verbrechen zwar verständlich, aber auch ein bequemer Mechanismus, mit dem das Grauen aus der Mitte der Gesellschaft ausgelagert wird.
Aufbau der Kapitel und Tipps für eigenständige Recherchen über Wunder und Monstren
Die beiden grossen Gruppen mittelalterlicher Wunder – Mirakel sowie Mirabilien mit den Monstren als Untergruppe – überlappen einander, sind beinahe unendlich verästelt und können unter unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. In den beiden Kapiteln über Mirakel und Mirabilien und Monstren sind jeweils unter „Quellen“ exemplarische, teils bebilderte Texte aufgeführt: Anders als im allgemeinen Sprachgebrauch gelten in der Geschichtswissenschaft nur die aus einer bestimmten Epoche stammenden Zeugnisse, nicht aber die moderne Forschungsliteratur als Quellen. Mittelalterliche Quellen über Wunder sind im Internet reichlich frei verfügbar. Eine Quelle wie beispielsweise der im Mittelalter weit verbreitete Reisebericht von John Mandeville ist in digitalisierten Handschriften und frühen Drucken, häufig in verschiedenen Sprachen, zu finden. Das Problem für nicht spezialisierte LeserInnen liegt darin, dass Handschriften ohne paläographische und entsprechende Sprachkenntnisse schwer zu lesen sind. Drucke brauchen weniger Übung.
Wahre Fundgruben sind Digitalisierungsprojekte, die in Verbindung mit Bibliotheken mit alten Beständen durchgeführt wurden:
Für weitere Links:
Eine Alternative bieten gut lesbare Quelleneditionen auf archive.org, die allerdings meistens aus dem 19. Jahrhundert stammen und häufig wissenschaftlich überholt sind. Für eine wissenschaftliche Bearbeitung des Themas ist daher jeweils zu eruieren , ob eine massgebliche neuere („kritische“) Edition des Textes vorliegt, die in der Regel nur als Printausgabe verfügbar ist. Dafür ist die einschlägige Forschungsliteratur heranzuziehen. Auch ein Blick in die Kataloge wissenschaftlicher Bibliotheken oder die einschlägigen Wikipedia-Artikel kann weiterhelfen.
Während mittelalterliche Quellen im Netz für erste Recherchen gut vertreten sind, kommt man in Bezug auf die Forschungsliteratur nicht weit. Der Gang in wissenschaftliche Bibliotheken ist zu empfehlen. Die unter Kapitel Literaturliste zusammengestellte Liste einschlägiger Literatur bietet einen ersten Einstieg. Darüber hinaus sind wissenschaftliche Recherchen auch für die Beantwortung vermeintlich einfacher Fragen meistens zeitaufwendig, erfordern Übung und am besten ein BA-Geschichtsstudium für die Arbeitstechniken. Empfohlen seien die in Kapitel Online-Tutorien aufgeführten Online-Tutorien zur mittelalterlichen Geschichte, die Historische Institute für ihre Studierenden erstellt haben.
1 Lourdes, Wikipédia, 08.11.2015, <https://fr.wikipedia.org/w/index.php?title=Lourdes&oldid=120299803>, Stand: 26.11.2015.
2 Tucholsky, Kurt: Ein Pyrenäenbuch, in: Tucholsky, Kurt: Gesammelte Werke in zehn Bänden, Bd. 5, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 70. Online: Zeno.org, <http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1927/Ein+Pyren%C3%A4enbuch/Lourdes#69>, Stand: 11.08.2015.
3 Voragine, Jacobus de: De sancta Margarete, in: Legenda Aurea. Ediert und übersetzt von Bruno Häuptli, Freiburg i. Br. 2014, S. 1216–1223.
4 Voragine, Jacques de: La Legende dorée Traduction de Jean de Vignay, 1201_1300, Bibliothèque nationale de France, Signatur: BNF Français 243. Online: Gallica, <http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8426001w>, Stand: 28.07.2015.
5 Voragine, Jacobus de: De sancta Margarete, in: Legenda Aurea. Ediert und übersetzt von Bruno Häuptli, Freiburg i. Br. 2014, S. 1219.
6 Larson, Wendy: The Role of Patronage and Audience in the Cults of Sts. Margaret and Marina of Antioch, in: Riches, Samantha J. E.; Salih, Sarah (Hg.): Gender and Holiness: Men, Women and Saints in late medieval Europe, London, New York 2002, S. 23-35.; Siebert-Gasper, Dieter: Ego agna Christi... Ego sponsa Christi - Neunkirchen, Essen und die Margaretentradition in ottonischer Zeit, in: Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein 208, 2005, S. 7–55.; Clayton, Mary; Magennis, Hugh: The Old English lives of St Margaret, Cambridge 1994.
7 Signori, Gabriela: Wunder : eine historische Einführung, Frankfurt a. M. 2007, S. 111–114.
8 Sevilla, Isidor von: Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla. Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Lenelotte Möller, Wiesbaden 2008, S. 463. Siehe auch Rebschloe, Timo: Der Drache in der mittelalterlichen Literatur Europas, Heidelberg 2014.
9 Siehe die interaktive Version der Ebstorfer Weltkarte mit sieben Fundstellen beim Suchbegriff „Drachen“:Die Ebstorfer Weltkarte, Ebstorf um.1300. Online: Leuphana Universität Lüneburg, <http://www.uni-lueneburg.de/hyperimage/EbsKart/start.html>, Stand: 29.07.2015.
10 Mandeville, John: Reisen des Ritters John Mandeville vom heiligen Land ins ferne Asien 1322-1356. Aus dem Mittelhochdeutschen übersetzt und hg. von Christian Buggisch, Darmstadt 2004.
11 Welche Wunder jeweils zu den sieben Weltwundern gezählt wurden, war unterschiedlich (siehe dazu Brodersen, Kai: Die sieben Weltwunder. Legendäre Kunst- und Bauwerke der Antike, München 1996). Gregor von Tours setzt zwei biblische Bauwerke auf seine Liste: 1. die Arche Noah, 2. die Mauern von Babylon, 3. der Tempel Salomons, 4. das Mausoleum von Halikarnassos, 5. der Koloss von Rhodos, 6. das Theater in Herakleia, 7. der Leuchtturm von Alexandria. Tours, Gregor von: De cursu stellarum ratio, qualiter ad officium implendum debent observari, in: Krusch, Bruno (Hg.): Gregorii Turonensis Opera, Bd. 2, Hannover 1885 o. D., S. 404–422. Online: Monumenta Germaniae Historica digital, <http://www.dmgh.de/de/fs1/object/goToPage/bsb00050862.html?pageNo=404&sortIndex=010%3A020%3A0001%3A010%3A02%3A00>, Stand: 26.11.2015).
12 Siehe zum Folgenden Walker Bynum, Caroline: Miracles and marvels. The limits of Alterity, in: Felten, Franz J.; Jaspert, Nikolas (Hg.): Vita religiosa im Mittelalter, Berlin 1999, S. 799–817.
13 Tilbury, Gervase of: Otia imperialia. Recreation for an emperor. Ed. and transl. by S. E. Banks and J. W. Binns, Oxford 2002, S. 558.
14 Aquin, Thomas von: Quaestiones Disputatae: Questio De potentia Dei, in: Corpus Thomisticum, 6, a 2, ad 3. Online: <http://www.corpusthomisticum.org/qdp5.html#59801>, Stand: 26.11.2015.
15 Aquin, Thomas von: Summa theologica, Pars III, 1485. Online: The Logic Museum, <http://www.logicmuseum.com/wiki/Authors/Thomas_Aquinas/Summa_Theologiae/Part_III/Q44#q44a4arg1>.
16 Vitry, Jacques de: Histoire orientale - Historia orientalis. Introduction, édition critique et traduction par Jean Donnadieu, Turnhout 2006, S. 406.
17 Heisterbach, Caesarius von: Dialogus miraculorum . Dialog über die Wunder, Bd. 1 / 6, Turnhout 2009, S. 200-201.
18 Heisterbach, Caesarius von: Dialogus miraculorum. Dialog über die Wunder, Bd. 5 / 6, Turnhout 2009, S. 1894–1897.
19 Siehe dazu die Einleitung und die Vita (mit deutscher Übersetzung) von Vogel, Bernhard: Virtutes sanctae Geretrudis, in: Herbers, Klaus; Jeroušková, Lenka; Vogel, Bernhard (Hg.): Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters, Darmstadt 2005 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe 43), S. 51–67 sowie Madou, M. J. H.: Gertrude de Nivelles (Sainte), in: Aubert, Roger; Baudrillart, Alfred (Hg.): Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastiques, Bd. 20, Paris 1984, Sp. 1066f.
20 Siehe das gesamte Quellendossier bei: Krusch, Bruno (Hg): Vita Sanctae Geretrudis, in: Scriptores rerum Merovingicarum 2: Fredegarii et aliorum chronica. Vitae sanctorum, Hannover 1888, S. 447–474. Online: Monumenta Germaniae Historica digital, <http://www.dmgh.de/de/fs1/object/display/bsb00000749_00005.html?zoom=0.75&sortIndex=010:020:0002:010:00:00>.
21 Vogel, Bernhard: Virtutes sanctae Geretrudis, in: Herbers, Klaus; Jeroušková, Lenka; Vogel, Bernhard (Hg.): Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters, Darmstadt 2005 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe 43), S. 61.
22 In Berlin erinnert die Gertraudenbrücke mit einer Skulptur von 1896 an ein spätmittelalterliches Hospiz, das der Heiligen Gertrud geweiht war: Gertraudenbrücke, Wikipedia, 06.08.2015, <https://de.wikipedia.org/wiki/Gertraudenbr%C3%BCcke>, Stand: 27.11.2015.
23 Gemeinhardt, Peter: Die Heiligen. Von den frühchristlichen Märtyrern bis zur Gegenwart, München 2010, S. 82.
24 Holy See Press Office: Statistics on the Pontificate of John Paul II, <http://www.vatican.va/news_services/press/documentazione/documents/pontificato_gpii/pontificato_dati-statistici_en.html>, Stand: 27.11.2015.
25 Bartlett, Robert: Why can the dead do such great things? Saints and worshippers from the martyrs to the Reformation, Princeton 2014, S. 57–64; Goodich, Michael: Vita perfecta. The ideal of sainthood in the thirteenth century, Stuttgart 1982, S. 15, 213–41.
26 Siehe zum Folgenden: Signori, Gabriela: Bauern, Wallfahrt und Familie. Familienbewusstsein und familiäre Verantwortungsbereitschaft im Spiegel der spätmittelalterlichen Wunderbücher "Unserer Lieben Frau im Gatter im Münster von Sankt Gallen" (1479 bis 1485), in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 86, 1992, S. 121–158. Online: retro.seals, <http://dx.doi.org/10.5169/seals-130231>, Stand: 27.11.2015 (siehe Kap. Bauern, Wallfahrt und Familie); Heller-Schuh, Barbara: Hilfe in allen Nöten?: Inhalte von hoch- und spätmittelalterlichen Mirakelsammlungen im Vergleich, in: Heinzelmann, Martin; Herbers, Klaus; Bauer, Dieter (Hg.): Mirakel im Mittelalter. Konzeptionen, Erscheinungsformen, Deutungen, Stuttgart 2002, S. 151–165; Signori, Gabriela: Kultwerbung – Endzeitängste – Judenhaß. Wunder und Buchdruck an der Schwelle zur Neuzeit, in: Heinzelmann, Martin; Herbers, Klaus; Bauer, Dieter (Hg.): Mirakel im Mittelalter. Konzeptionen, Erscheinungsformen, Deutungen, Stuttgart 2002, S. 433–472.
27 Heller-Schuh, Barbara: Hilfe in allen Nöten?: Inhalte von hoch- und spätmittelalterlichen Mirakelsammlungen im Vergleich, in: Heinzelmann, Martin; Herbers, Klaus; Bauer, Dieter (Hg.): Mirakel im Mittelalter. Konzeptionen, Erscheinungsformen, Deutungen, Stuttgart 2002, S. 161.
28 Signori, Gabriela: Bauern, Wallfahrt und Familie. Familienbewusstsein und familiäre Verantwortungsbereitschaft im Spiegel der spätmittelalterlichen Wunderbücher «Unserer Lieben Frau im Gatter im Münster von Sankt Gallen» (1479 bis 1485), in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 86, 1992, S. 128. Online: retro.seals, <http://dx.doi.org/10.5169/seals-130231>, Stand: 27.11.2015.
29 Signori, Gabriela: Kultwerbung – Endzeitängste – Judenhaß. Wunder und Buchdruck an der Schwelle zur Neuzeit, in: Heinzelmann, Martin; Herbers, Klaus; Bauer, Dieter (Hg.): Mirakel im Mittelalter. Konzeptionen, Erscheinungsformen, Deutungen, Stuttgart 2002, S. 433–472.
30Issickemer, Jakob: Das buchlein der zuflucht zu Maria der muter gottes in alten Oding. Mit Widmungsbrief des Autors an Johann Graf, Nürnberg 15.10.1497, Fol. C2v. Online: Münchner Digitalisierungszentrum, <http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00029499/image_33>, Stand: 28.07.2015.
31 Siehe dazu den Überblick bei Bartlett, Robert: Why can the dead do such great things? Saints and worshippers from the martyrs to the Reformation, Princeton 2014, S. 342–348.
32 Kalkuliert anhand der Tabelle bei Bartlett, Robert: Why can the dead do such great things? Saints and worshippers from the martyrs to the Reformation, Princeton 2014, S. 344, die wiederum auf der folgenden Studie beruht: Sigal, Pierre André: L’homme et le miracle dans la France médiévale: XIe-XIIe siècle, Paris 1985.
33 Signori, Gabriela: Bauern, Wallfahrt und Familie. Familienbewusstsein und familiäre Verantwortungsbereitschaft im Spiegel der spätmittelalterlichen Wunderbücher «Unserer Lieben Frau im Gatter im Münster von Sankt Gallen» (1479 bis 1485), in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 86, 1992, S. 121–158. Online: retro.seals, <http://dx.doi.org/10.5169/seals-130231>, Stand: 27.11.2015.
34 Siehe zur Einführung Daston, Lorraine; Park, Katharine: Wunder und die Ordnung der Natur 1150-1750, Frankfurt am Main 2002 (engl.: Wonders and the Order of Nature 1150–1750, New York 1998, 2002). Der vielversprechende Katalog zur Ausstellung Monster. Fantastische Bilderwelten zwischen Grauen und Komik am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg (2015) war mir noch nicht zugänglich: Grosse, Peggy: Monster. Fantastische Bilderwelten zwischen Grauen und Komik, Nürnberg 2015 (Ausstellungskataloge des Germanischen Nationalmuseums).
35 Rosenke, Stephan: Kuriositätenkabinett, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 7, Stuttgart 2008, s. v.
36 Distelrath, Götz: Prodigium, in: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd. 9, Stuttgart, Weimar 2001, s. v.
37 Wittkower, Rudolf: Marvels of the East. A Study in the History of Monsters, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 5, 1942, S. 159–197.
38 Plinius der Ältere: Historia naturalis. Naturkunde. Hg. und übers. von Roderich König, 37 Bd., München 1973–1996.
39 Sevilla, Isidor von: Isidori Hispanlensis episcopi Etymologiarum sive originum libri XX. Hg. von Wallace Martin Lindsay, Oxford 1911. Online: LacusCurtius, <http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Isidore/home.html>, Stand: 27.11.2015.
40 Augustinus, Aurelius: Der Gottesstaat. De civitate dei. Lat.-dte Ausgabe, übersetzt von Carl Johann Perl, Bd. 1, Paderborn 1979, S. 117.
41 Wittkower, Rudolf: Marvels of the East. A Study in the History of Monsters, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 5, 1942, S. 169–171.
42 Schedel, Hartmann: Register des Buchs der Croniken und geschichten mit figuren und pildnussen von anbeginn der welt bis auf diese unnsere Zeit (= Liber chronicarum, Schedelsche Weltchronik), Nürnberg 1493, Universitätsbibliothek Heidelberg, Signatur: B 1554 B Folio INC, Fol:12r. Online: Heidelberger historische Bestände - digital, <http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/is00309000/0045>, Stand: 25.11.2015.
43 Schenda, Rudolf: Das Monstrum von Ravenna. Eine Studie zur Prodigienliteratur, in: Zeitschrift für Volkskunde 56, 1960, S. 209–255; Ewinkel, Irene: De monstris. Deutung und Funktion von Wundergeburten auf Flugblättern im Deutschland des 16. Jh, Tübingen 1995, S. 227ff.
44 Dieser Einblattdruck findet sich in der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek München: Czu Wissen das diss monstrum geboren worden ist in disem iar so man zelt M.D. und VI. umb sant Jacobs tag zu Florentz vo[n] ainer frawen. und so es kund gethon ist unserm hailigen vatter dem babst. hat sein hailigkait geschaffen man solt ym kain speysung gebe[n] besunder on speyß sterben lassen, ca.1506, Bayerischen Staatsbibliothek München, Signatur: Einbl. VIII, 18. Online: Bayerischen Staatsbibliothek Bildsuche, <http://bildsuche.digitale-sammlungen.de/index.html?c=viewer&bandnummer=bsb00098933&pimage=00001&lv=1&v=100&l=de>, Stand: 26.11.2015
45 Multivallis, Johannes: Eusebii Cesariensis episcopi Chronicon, Paris 1512, Fol 1751v, zitiert nach Daston, Lorraine; Park, Katharine: Wunder und die Ordnung der Natur 1150-1750, Frankfurt am Main 2002, S. 215.
46 Mauelshagen, Franz: Wunderkammer auf Papier. Die «Wickiana» zwischen Reformation und Volksglaube, Tübingen 2011.
47 Siehe zum Folgenden: Monstren. Eine Fallstudie, in: Daston, Lorraine; Park, Katharine: Wunder und die Ordnung der Natur 1150-1750, Frankfurt am Main 2002.
48 Daston, Lorraine; Park, Katharine: Wunder und die Ordnung der Natur 1150-1750, Frankfurt am Main 2002, S. 236; Liceti, Fortunio: De monstrorum causis, natura et differentiis, Padua 1616. Online: Archive.org, <https://archive.org/stream/fortuniuslicetus00lice#page/n7/mode/2up>, Stand: 27.11.2015
49 „Allons, courage, disons ensemble: Que sais-je?“: Monstres, in: Oeuvres complétes de Voltaire: Dictionnaire philosophique, Bd. 37, Paris 1819, S. 341–344. Online: Google Books, <https://books.google.ch/books?id=yIkMAQAAMAAJ&lpg=PA340&ots=fOb6CEsKRP&dq=Voltaire%20Dictionnaire%20philosophique%20monstre&hl=de&pg=PA341#v=onepage&q=Voltaire%20Dictionnaire%20philosophique%20monstre&f=false>.
50 Siehe zum Folgenden: Hagner, Michael: Monstrositäten haben eine Geschichte, in: Hagner, Michael: Der falsche Körper. Beiträge zu einer Geschichte der Monstrositäten, Göttingen 1995, S. 7–20.
51 Mißgeburt, Wundergeburt, in: Zedlers Universallexikon der Wissenschaften und Künste, Bd. 21, Leipzig, Halle 1789, S. 486–492. Online: <http://www.zedler-lexikon.de/index.html?c=blaettern&id=189478&bandnummer=21&seitenzahl=0260&supplement=0&dateiformat=1%27)>, Stand: 27.11.2015.; Monstra, in: Zedlers Universallexikon der Wissenschaften und Künste, Bd. 21, Leipzig, Halle 1789, S. 1220–1221. Online: <http://www.zedler-lexikon.de/index.html?c=blaettern&zedlerseite=ze210636&bandnummer=21&seitenzahl=0636&dateiformat=1&view=100&supplement=0%27)>, Stand: 27.11.2015.
52 Hagner, Michael: Monstrositäten haben eine Geschichte, in: Hagner, Michael: Der falsche Körper. Beiträge zu einer Geschichte der Monstrositäten, Göttingen 1995 S. 15.
53 Zürcher, Urs: Monster, oder, Laune der Natur. Medizin und die Lehre von den Missbildungen 1780 - 1914, Frankfurt 2004.
54 Siehe die in Kapitel Monster aufgeführte Aufsätze von Kyora, Sabine: Die ganze scheußliche Kreatur. Monster in der modernen Literatur und im Film, in: Bundeszentrale für Politische Bildung (Hg.): Monster, Frankfurt am Main 2013 (Aus Politik und Zeitgeschichte 52), S. 26–33. Online: Bundeszentrale für politische Bildung, <http://www.bpb.de/apuz/175282/monster-in-der-modernen-literatur-und-im-film>, Stand: 29.07.2015.; Schloz, Janina: Vampire Trouble. Gender, Sexualität und das Monströse, in: Bundeszentrale für Politische Bildung (Hg.): Monster, Frankfurt am Main 2013 (Aus Politik und Zeitgeschichte 52), S. 33–39. Online: Bundeszentrale für politische Bildung, <http://www.bpb.de/apuz/175284/vampire-trouble-gender-sexualitaet-und-das-monstroese>, Stand: 29.07.2015.
55 Becker, Peter: Der Verbrecher als ‘monströser Typus‘. Zur kriminologischen Semiotik der Jahrhundertwende, in: Hagner, Michael: Der falsche Körper. Beiträge zu einer Geschichte der Monstrositäten, Göttingen 1995, S. 147–173.
56 Hagner, Michael: Monstrositäten haben eine Geschichte, in: Hagner, Michael: Der falsche Körper. Beiträge zu einer Geschichte der Monstrositäten, Göttingen 1995, S. 19.
Abbildungsnachweise
Abbildung 1: Das Martyrium der Heiligen Margarete, in: Voragine, Jacques de: La Legende dorée. Traduction de Jean de Vignay, 1401, Bibliothèque nationale de France, Signatur: Français 244, S. Ausschnitt aus Fol. 197r. © domaine public. Online: gallica.bnf.fr, <http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8442920n/f415.item>, Stand: 24.11.2015.
Abbildung 2: Titelblatt, in: Issickemer, Jakob: Das buchlein der zuflucht zu Maria der muter gottes in alten Oding: Mit Widmungsbrief des Autors an Johann Graf, Nürnberg 1497, Bayerischen Staatsbibliothek, Signatur: Rar. 847. © CC BY-NC-SA 4.0.Online: Münchner Digitalisierungszentrum, <http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00029499/image_6>, Stand: 25.11.2015.
Abbildung 3: Issickemer, Jakob: Das buchlein der zuflucht zu Maria der muter gottes in alten Oding. Mit Widmungsbrief des Autors an Johann Graf, Nürnberg 1497, Bayerischen Staatsbibliothek, Signatur: Rar. 847, © CC BY-NC-SA 4.0. Online: Münchner Digitalisierungszentrum, <http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00029499/image_33>, Stand: 28.07.2015.
Abbildungen 4–10: Schedel, Hartmann: Register des Buchs der Croniken und geschichten mit figuren und pildnussen von anbeginn der welt bis auf diese unnsere Zeit (= Liber chronicarum, Schedelsche Weltchronik), Nürnberg 1493, Universitätsbibliothek Heidelberg, Signatur: B 1554 B Folio INC, Fol:12r. © CC-BY-SA 3.0 DE. Online: Heidelberger historische Bestände - digital, <http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/is00309000/0045>, Stand: 25.11.2015.
Abbildung 11: Czu Wissen das diss monstrum geboren worden ist in disem iar so man zelt M.D. und VI. umb sant Jacobs tag zu Florentz vo[n] ainer frawen. und so es kund gethon ist unserm hailigen vatter dem babst. hat sein hailigkait geschaffen man solt ym kain speysung gebe[n] besunder on speyß sterben lassen, ca.1506, Bayerischen Staatsbibliothek München, Signatur: Einbl. VIII, 18. © CC-BY-NC-SA 4.0. Online: Bayerischen Staatsbibliothek Bildsuche, <http://bildsuche.digitale-sammlungen.de/index.html?c=viewer&bandnummer=bsb00098933&pimage=00001&lv=1&v=100&l=de>, Stand: 26.11.2015.
Mirakel
Quellen
Legenda Aurea (1228-1298)
Jacobus de Voragine:
Legenda Aurea (1228-1298)
Die Legenda Aurea von Jacobus de Voragine/Varazze (1228–1298) war im Mittelalter in vielen Handschriften verbreitet, von denen viele als Digitalisate im open access zugänglich sind. Die hier verlinkte, reich illustrierte Handschrift aus dem 13. Jahrhundert ist eine französische Übersetzung der Legenda Aurea von Jean de Vignay.
Siehe zur Legenda Aurea folgende Editionen und Übersetzungen mit weiteren Literaturhinweisen:
- Voragine, Jacobus de: Legenda aurea : Goldene Legende. Einleitung, Edition, Übersetzung und Kommentar von Bruno W. Häuptli, 2 Bd., Freiburg im Breisgau, Basel, Wien 2014 (Fontes Christiani : zweisprachige Neuausgabe christlicher Quellentexte aus Altertum und Mittelalter).
- Iacopo da Varazze: Legenda aurea. Con le miniature del codice Ambrosiano C 240 inf., ed. comm. C. P. Maggioni, trad. ital. di G. Agosti. Florenz 2007.
- http://www.arlima.net/il/jean_de_vignay.html (Ausführliche Bibliographie zur französischen Übersetzung von Jean de Vignay)
Weitere Links:
Das Mirakelbuch von Altötting (1497)
Jakob Issickemer:
Das buchlein der zuflucht zu Maria der muter gottes in alten Oding, 15.10.1497
Dieses Mirakelbuch des Kanonikers Jakob Issickemer steht in einer Reihe von Drucken, die die Marienwunder in Altötting verzeichnen und kommentieren. Siehe dazu:
- Bauer, Robert: Das älteste gedruckte Mirakelbüchlein von Altötting, in: Ostbairische Grenzmarken 5, 1961, S. 144–151.
- Bauer, Robert: Das Büchlein der Zuflucht zu Maria. Altöttinger Mirakelberichte von Jacobus Issickimer, in: Ostbairische Grenzmarken 7, 1964/65, S. 206–236.
- Heller-Schuh, Barbara: Hilfe in allen Nöten?: Inhalte von hoch- und spätmittelalterlichen Mirakelsammlungen im Vergleich, in: Heinzelmann, Martin; Herbers, Klaus; Bauer, Dieter (Hg.): Mirakel im Mittelalter. Konzeptionen, Erscheinungsformen, Deutungen, Stuttgart 2002, S. 151–165.
- Signori, Gabriela: Kultwerbung – Endzeitängste – Judenhaß. Wunder und Buchdruck an der Schwelle zur Neuzeit, in: Heinzelmann, Martin; Herbers, Klaus; Bauer, Dieter (Hg.): Mirakel im Mittelalter. Konzeptionen, Erscheinungsformen, Deutungen, Stuttgart 2002, S. 433–472.
Forschungsliteratur
Marvelous Facts and Miraculous Evidence (1991)
Lorraine Daston:
Marvelous Facts and Miraculous Evidence in Early Modern Europe, 1991
Dieser Artikel ist nicht mehr frei zugänglich. Kostenpflichtig auf JSTOR.
Bauern, Wallfahrt und Familie (1992)
Gabriela Signori:
Bauern, Wallfahrt und Familie. Familienbewusstsein und familiäre Verantwortungsbereitschaft im Spiegel der spätmittelalterlichen Wunderbücher Unserer Lieben Frau im Gatter im Münster von Sankt Gallen" (1479-1485), 1992
Mirabilien und Monstren
Quellen
Ebstorfer Weltkarte (um 1300)
Die Ebstorfer Weltkarte, um 1300
Die Ebstorfer Weltkarte ist die größte überlieferte mittelalterliche Weltkarte. Sie entstand im Benediktinnerinnenkloster Ebstorf in der Lüneburger Heide um 1300. Die ca. 3,5x3,5 riesige Wandkarte verbrannte im Zweiten Weltkrieg im Staatsarchiv Hannover. Anhand der überlieferten Abzeichnungen wurden vier originalgroße Reproduktionen erstellt, von denen sich jeweils eine im Kloster Ebstorf und im Museum Lüneburg befindet. Die Leuphana-Universität in Lüneburg hat eine interaktive Version der Ebstorfer Weltkarte erstellt, mit der sich die vielen Erläuterungen auf der Karte auf Latein und in deutscher Übersetzung erschließen lassen. Edition:
Reisebericht John Mandeville (ca. 1360)
John Mandeville und Michel Velser:
Das puoch des Ritters herr Hannsen von Monte Villa, 1482
John Mandevilles Reisebericht war einer der beliebtesten Reiseberichte mit vielen Berichten über Mirakel und Mirabilia, die im Mittelalter Tausenden von Handschriften in vielen Sprachen kursierten, von denen mehr als 300 überliefert sind. Der Text ist eine Kompilation aus vielen Quellen von einem unbekannten Autor – es sind verschiedene Theorien darüber aufgestellt worden, wer sich hinter dem Namen John Mandeville verbirgt. Das Buch kursierte in den 1350er und 1360er Jahren auf Englisch, Französisch und Anglonormannisch. Ein eindeutiger „Originaltext“ ist, wie häufig im Mittelalter, nicht zu identifizieren. Übersetzungen und moderne Editionen:
- Morrall, Eric John (Hg.): Sir John Mandevilles Reisebeschreibung. In deutscher Übersetzung von Michel Velser, Berlin 1974.
- Mandeville, Jean de: Reprint der Erstdrucke der deutschen Übersetzungen des Michel Velser und des Otto von Diemeringen. Herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Ernst Bremer und Klaus Ridder, Hildesheim, Zürich, New York 1991.
- Mandeville, John: The Book of Marvels and Travels. Übersetzt und ediert von Anthony Bale, Oxford 2012.
Weitere Links:
- John Mandevilles Reisebericht in der Bayerischen Staatsbibliothek
- Handschrift von John Mandeville in der Stiftsbibliothek St. Gallen: e-codices , Signatur: Stiftsarchiv Abtei Pfäfers, Cod. Fab. XVI, 15. Jahrhundert
- Verschiedene modernere Ausgaben, unter anderem in Englisch, Französisch, Italienisch auf archive.org
Interview with Anthony Bale (2012)
Carla Nappi:
Anthony Bale about Sir John Mandeville’s «The Book of Marvels and Travels», 2012
Interview mit Anthony Bale (Podcast) über John Mandevilles Reisebericht und Bales Übersetzung und Edition vom 2. November 2012 bei NBN (New Books in History)
Wickiana (1505-1588)
Johann Jacob Wick:
Wickiana, 1505-1588
Die Wickiana ist eine der größten Sammlungen von Einblattdrucken und Flugblättern – den Vorläufern der modernen Zeitungen –, die der Zürcher Geistliche Johann Jacob Wick (1522–1588) zusammenstellte. Sie geben Zugang zum Horizont der Zeitgenossen in einer Epoche voller, meist düsterer Wunderzeichen, die von der Endzeit zu zeugen schienen. In der Zentralbibliothek Zürich sind 439 Drucke aus dieser Sammlung als Digitalisate zugänglich.
Forschungsliteratur
Der ordo-Gedanke und die Hermeneutik der Fremde im Mittelalter (1998)
Marina Münkler und Werner Röcke:
Der ordo-Gedanke und die Hermeneutik der Fremde im Mittelalter: Die Auseinandersetzung mit den monströsen Völkern des Erdrandes, 1998
Apokalyptische Heerscharen und Gottesknechte (2005)
Marion Steinicke:
Apokalyptische Heerscharen und Gottesknechte. Wundervölker des Ostens vom Untergang der Antike bis zur Entstehung Amerikas
Recherchetipps
Online-Tutorien
Tutorium Mittelalter der Universität Tübingen (2005)
Larissa Veronesi, Clemens Radl und Wolfgang Krauth:
Online-Tutorium Mittelalter der Universität Tübingen, 2005
Ad fontes (2001)
Universität Zürich:
Ad fontes. Eine Einführung in den Umgang mit Quellen im Archiv, 2001